Berlin, Fulda. Die Initiative für eine neue Rechtsform für Unternehmen mit gebundenem Vermögen bekommt kräftigen Rückenwind: 22 deutsche Wirtschaftsorganisationen, darunter auch die Industrie- und Handelskammer Fulda, haben sich zusammengeschlossen, um von der Bundesregierung die baldige Einführung der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GgmV) zu fordern.
Die Verbände, die insgesamt für mindestens 100.000 Mitglieder sprechen, begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema angehen will. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es: „Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt.“ Das könne nur die Einführung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen leisten, eine GmgV, so die Verbände. Die Herausforderung sei nur dann geschafft, „wenn eine unbürokratische, einfache Lösung, eine eigenständige Rechtsform etabliert wird, die von Unternehmern ohne große Beratung umgesetzt werden kann“, heißt es in dem Papier.
Von den deutschen IHKn unterstützt bislang neben der IHK Saarland die IHK Fulda das Vorhaben. „Genauso wie mehr Diversität in Teams Unternehmen produktiver macht, würde die neue zusätzliche Rechtsform ‚Gesellschaft mit gebundenem Vermögen‘ die mittelständisch geprägte Wirtschaft vielfältiger und resilienter machen. Deshalb ist das Projekt aus Sicht unserer IHK Fulda uneingeschränkt unterstützenswert,“ betont IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Konow.
Alternative für die Unternehmensnachfolge
Insbesondere für das drängende Nachfolge-Problem im deutschen Mittelstand verspricht eine eigenständige neue Rechtsform Abhilfe. So stehen laut KfW aktuell 560.000 Unternehmensnachfolgen an. Weniger als die Hälfte davon gelingen in der Familie. 190.000 Betrieben drohen laut KfW sogar die Auflösung, was oft daran liege, dass ein Verkauf an den privaten Vermögensverhältnissen fähiger Nachfolger scheitert. Die GmgV böte die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolger erheblich zu erweitern und die Unternehmensnachfolge unabhängig von der genetischen Familie oder der individuellen Vermögenslage zu gestalten, indem Anteile zum Nennwert weitergegeben würden und nicht vererbbar wären. Schon vor zwei Jahren hatte eine repräsentative Allensbach-Umfrage ergeben, dass 72 Prozent der Familienunternehmen in Deutschland eine solche Rechtsform begrüßen würden. Auch für nicht-Exit-orientierte Start-ups sowie Sozialunternehmen böte sie mehr Gestaltungsfreiheit, Unternehmen unabhängig und wirtschaftlich nachhaltig aufzubauen, indem Gewinne rechtsverbindlich im Unternehmen verbleiben und dort zur weiteren Entwicklung dienen.
Interessenvertreter ziehen an einem Strang
Dass eine solche Rechtsform für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen relevant ist, zeigt die Diversität der Unterzeichnenden: vom Bundesverband für mittelständische Wirtschaft BVMW und den Verband deutscher Unternehmerinnen über den deutschen Start-up-Verband, den Digitalverband BVDW und das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland SEND bis hin zum Blockchain-Verband oder auch Landwirtschafts- und erste IHKn.
Kernelemente einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“
Die Verbände umreißen vier Eckpunkte, die ihrer Meinung nach für eine neue Rechtsform unabdinglich sind:
1) eine „unabänderliche Vermögensbindung“
2) ein „aktives Gesellschafterverständnis“ und die Weitergabe der Anteile zum Nennwert
3) eine Offenheit für jedwede unternehmerischen Zielsetzungen und Zwecke
4) die „bestmögliche Absicherung“ der Vermögensbindung mithilfe eines Aufsichtsverbands.
Vor allem Vermögensbindung, Aufsichtsverband und die Weitergabe zum Nennwert machen die Einführung einer eigenständigen neuen Rechtsform erforderlich. Eine Eingliederung in bestehende Rechtsformen, beispielsweise im GmbH-Recht, würde eine rechtssichere Vermögensbindung nicht erlauben und dem Bedarf nicht ausreichend Rechnung tragen.
Kein Steuersparmodell
Steuerrechtlich sei die Rechtsform genauso zu behandeln wie alle anderen und dürfe keinesfalls als Steuersparmodell missbraucht werden. „Die GmgV würde den Kanon der Rechtsformen ergänzen, keine andere Rechtsform ersetzen oder schlechter stellen.“ Sie fungiere dann als wichtige Option zur Stärkung der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Innovationskraft.
„Wir sehen in der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplanten neuen Rechtsform, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV), eine große Chance für die Soziale Marktwirtschaft, für die Stärkung unabhängiger Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, heißt es in dem Papier.