Die vergangenen Monate haben Einschnitte und Veränderungen im gesellschaftlichen und gewerblichen Alltag mit sich gebracht, wie sie kaum jemand zuvor kannte. Der Vorstand der IG Münsterfeld hat einige Mitglieder der Interessengemeinschaft zu ihren persönlichen Erfahrungen im Umgang mit der Corona-Krise befragt. Wie sieht der Alltag in einer Kindertagesstätte seither aus? Welche Umstrukturierungen gibt es in den regionalen Betrieben? Und wie geht die Gastronomie – die wohl am schwersten von der Krise betroffene Branche – mit den enormen Herausforderungen um?
Marie-Christine Nelles von Nelles Catering findet deutliche Worte: „Wir haben die letzten Monate wie im freien Fall erlebt, für uns hat sich alles geändert. Unser Restaurant geschlossen, keine Veranstaltungen mehr, und die Bäckerei-Filiale abgesperrt. Hier war zeitweise lediglich noch der Verkauf der Bäckerei selbst geöffnet, inzwischen gibt es aber einen wöchentlich wechselnden Mittagstisch, den man vorbestellen und dann ganz bequem abholen kann.“ Die größten Herausforderungen für sie und ihren Mann Sven Nelles seien gewesen, die laufenden Kosten herunterzufahren, um so lange wie möglich zu überleben, die Mitarbeiter zu informieren, dass man Kurzarbeit anmelden muss, „und im Kopf zu verarbeiten, dass man von vollen Auftragsbüchern auf leere Bücher zusteuert“. Marie-Christine Nelles bilanziert: „Für unser Unternehmen wird es weiterhin ein sehr schwieriges Jahr, vor allem, weil die Veranstaltungsbranche nicht mehr existiert, denn Großveranstaltungen sind bis Ende August nicht erlaubt.“ Der größte unkalkulierbare Faktor sei jedoch die Angst der Menschen vor einer Ansteckung – und damit verbunden die Frage der Gastronomen: Wann gehen die Leute wieder essen? Wann traut sich eine Firma wieder ein Sommerfest zu veranstalten? Dennoch geben Marie-Christine und Sven Nelles nicht auf: „Man fängt automatisch an, viele Konzepte zu überdenken, man geht schneller andere Wege, einfach, weil man muss. Man beleuchtet sein Unternehmen aus jeder Ecke – und es kommen auf einmal ganz neue Ideenansätze.“
Einen ähnlich einschneidenden Wandel gab es in der Kindertagesstätte Wirbelwind. „Auch für uns hat die Corona-Krise zunächst alles verändert, da plötzlich keine Kinder mehr kamen“, erzählt Tatyana Schönmeier, Leiterin der Kita. Sämtliche Strukturen hätten entsprechend angepasst werden müssen: „Wir haben die Zeit für die Konzeptarbeit und die pädagogische Arbeit wie Nachbereitung, Planung oder Vorbereitung genutzt. Auch die Arbeit mit den Kindern in der Notbetreuung war besonders, weil viel weniger Kinder gebracht wurden als vorher und sich die Rahmenbedingungen, unter denen wir agieren, total verändert haben. Das betrifft natürlich Abstandsregelungen, aber auch die Raum- oder Materialnutzung.“ Die größte Herausforderung in der bisherigen Corona-Zeit sei es gewesen, den Kontakt zu den Kindern und ihren Familien zu halten. „Wir haben uns dazu ganz viel überlegt, haben Videos gedreht, Tüten mit Bastelmaterialien und Malvorlagen verteilt, Briefe geschrieben oder Bilder und Nachrichten verschickt. Da unsere Kita hauptsächlich von Kindern besucht wird, die die deutsche Sprache noch nicht oder nur in Ansätzen sicher beherrschen, haben wir uns große Sorgen darüber gemacht, dass unsere Erfolge, die in der bisherigen Kita-Zeit erreicht wurden, langsam verloren gehen, wenn die tägliche Sprachpraxis wegfällt. Das kann man nicht durch Nachrichten, Videos und Materialtaschen ausgleichen“, betont die Kita-Leiterin. Seit Anfang Juni konnte die Kita Wirbelwind wieder in den eingeschränkten Regelbetrieb starten – aber auch das bedurfte einiger Umstrukturierungen: „Wir haben mehr aber dafür kleinere Gruppen als bisher, was auch eine Chance für eine gezieltere Förderung darstellt, da auf einzelne Kinder viel besser eingegangen werden kann.“ Das Fazit der Erzieherin: „Es bleibt eine außergewöhnliche Zeit, die aufgrund der sehr differenzierten Planungen, die nötig sind, um alle notwendigen Vorgaben zur Reduzierung des Infektionsrisikos einzuhalten und umzusetzen, sehr anstrengend aber auch sehr spannend werden wird. Wir blicken mit Freude auf die kommenden Wochen, aber auch mit der großen Hoffnung, dass alle gesund bleiben.“
„Zum Glück kaum negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit“ konnte Marco Großmeilert, Geschäftsführer der cojama Infosystems GmbH, feststellen: „Wir sind mit dem gesamten Team noch vor dem großen Shutdown ins Homeoffice gegangen. Dass die technischen Strukturen dafür vorhanden waren, war natürlich sehr hilfreich. Allerdings haben wir Telearbeit bisher nur in Ausnahmefällen genutzt.“ Die größte Herausforderung für ihn und sein Team sei die teaminterne Kommunikation: „Der persönliche Kontakt, die informellen Gespräche – all das ist wichtig für das Funktionieren eines Teams. Das können Videokonferenzen und Life-Chats nur teilweise leisten“, gibt Marco Großmeilert zu bedenken, blickt aber optimistisch nach vorne: „Der Trend zur Remote-Arbeit erfordert Produkte und Dienstleistungen, die in unseren Kernbereich als Hoster von Unternehmenslösungen fallen. Und dieser Trend wird dem Thema ,ausgelagerte IT‘ zu weiterer Akzeptanz auch bei kleinen und mittelständischen Unternehmen verhelfen.“ Seine Prognose für die kommenden Wochen? „Wir werden auf absehbare Zeit Distanz bei persönlichen Begegnungen halten und nur mit wenigen Mitarbeitern in unserer Geschäftsstelle arbeiten. Auch Vor-Ort-Termine bei Kunden oder Partnern werden weiterhin die Ausnahme bleiben.“
Jutta Diel von Grümel erklärt: „Durch die Vielfalt der Angebote und Leistungen sind wir nicht wie in einem anderen Betrieb als Gesamtbetrieb beeinträchtigt, sondern auf unterschiedlichste Weise. So sind in den ersten beiden Monaten die ,normalen‘ Aufgaben der Geschäftsleitung komplett zum Erliegen gekommen – alles drehte sich nur um Corona, zumal es gerade in den ersten zwei Wochen an verwertbaren Informationen fehlte – danach sind wir mit Infos überschüttet worden.“ Durch das vielfältige Portfolio bei Grümel wurden Einzelgespräche mit jeder der insgesamt 15 Abteilungen zum weiteren Vorgehen notwendig. Alle Jugendlichen und Erwachsenen in Berufsvorbereitung, Qualifizierung und Ausbildung mussten zum Beispiel zunächst zu Hause bleiben – und es wurden Alternativen für die Fortführung der Bildungsmaßnahmen gesucht, bei denen es jedoch insbesondere am technischen Equipment des Klientel fehlte: Vielfach sei nur ein Smartphone verfügbar gewesen. Zudem wurden die Küchen, die Mittagessen für Kindergärten und Schulen zubereiten, genauso wie die Kantine im Landratsamt geschlossen, ebenso das SecondHandKaufhaus oder der Vertrieb der SecondHandElektrogeräte. „Entsprechend mussten wir uns mit den Themen Kurzarbeit und einer möglichen Entlassung von geringfügig Beschäftigten auseinandersetzen, vor allem, weil am Anfang eine enorme Unsicherheit bestand, ob die Förderungen für unsere Maßnahmen weitergezahlt werden. Dies war dann zum Glück der Fall, nur für einen Bereich haben wir Fördermittel beantragen müssen. Im Bereich der Dienstleistungen fehlen uns dagegen die Einnahmen“, zählt Jutta Diel auf. Inzwischen seien die Jugendlichen und Erwachsenen wieder zu 90 Prozent zurück, der Arbeitsalltag jedoch noch geprägt von den Arbeitsschutzmaßnahmen, so dass ein „normales“ Arbeiten nicht möglich sei. „Im Bereich der Qualifizierung sehen wir uns dennoch wieder auf einem guten Weg und hoffen, auch die restlichen zehn Prozent an Maßnahmeteilnehmern bald wieder regelmäßig bei uns im Haus zu haben. Finanziell wird es noch weiterhin Einbußen geben, da frühestens zum neuen Schuljahr wieder Essen in den Schulen angeboten werden kann. Hier haben sich die Schulträger noch nicht endgültig festgelegt.“
In der UTH GmbH, einem weltweit aufgestellten Unternehmen der Maschinenbau-Industrie, unter anderem mit einem Partner beziehungsweise Standort in Shanghai und chinesischer Kundenklientel, haben sich die Entwicklungen der Corona-Krise schon etwas früher abgezeichnet. „Dadurch konnten wir uns – zumindest gedanklich – ein Stück weit auf die absehbaren Maßnahmen einstellen. Für uns bedeuten insbesondere die Reisebeschränkungen eine einschneidende Veränderung – das betrifft nicht nur das ,Vor-Ort-Sein‘ bei unseren Kunden oder die Kundenakquise durch ein persönliches Kennenlernen und Netzwerken, sondern auch essentiell unseren Servicebereich“, blickt Carmen König, verantwortlich für Marketing und Kommunikation, zurück und ergänzt: „Gerade im Bereich Kommunikation hat sich für uns viel geändert. Durch den Wegfall von internationalen Messen und Kundenbesuchen, aber auch durch Umstellung auf Homeoffice-Arbeit mussten neue Wege für Austausch und Abstimmung gefunden werden.“ Das speziell geschulte Serviceteam der UTH GmbH konnte nicht mehr reisen und keine Montageeinsätze leisten. Diese Herausforderung hat viel Kreativität und Innovation gefordert, um digitale Lösungen zu finden oder auszubauen. „Dazu zählt beispielsweise unser Remote Service, der unabhängig vom Standort eine Fernwartung unserer Maschinen ermöglicht“, erklärt Carmen König. Aber auch die Umsetzung der vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen am Arbeitsplatz sei eine Herausforderung gewesen. „Alle Mitarbeiter, deren Tätigkeit es erlaubt, arbeiten zwar im Homeoffice, doch es gibt Bereiche, in denen das nicht möglich ist. Um hier für die Gesundheit des Teams höchste Sicherheit zu gewährleisten, mussten wir so einiges umstellen und zum Beispiel versetzte Arbeitszeiten einführen. Da braucht es schon einen starken Team-Spirit und viel Flexibilität – Stichwort: Kinderbetreuung.“ Dennoch blickt Carmen König optimistisch nach vorne: „Auch wir erfahren, dass die Digitalisierung durch Corona an Dynamik gewonnen hat. Dadurch bekommen innovative Lösungen wie der Remote-Service bei unseren Kunden einen neuen Stellenwert. Natürlich müssen auch wir uns im internationalen Kundendialog digital nun noch weiter aufstellen. Wir arbeiten an Konzepten, um trotz der aktuellen Auflagen die Nähe zu unseren Kunden wahren, internationale Kundenbesuche virtuell stattfinden lassen und unsere Servicestärke beibehalten zu können.“ Eine konkrete Prognose für die Zukunft sei derzeit jedoch nicht möglich: „Die Entwicklung der für uns maßgeblichen internationalen Märkte hängt von vielen Einflussfaktoren ab. Es ist zwar zu merken, dass diese langsam wieder Fahrt aufnehmen, wir spüren aber auch ganz deutlich, dass sich durch Corona einiges verändert hat. Für alle – weltweit.“
Jan Strupp, Geschäftsführer des Holz- und Baustoffe-Fachhandels Strupp, sagt, dass insbesondere die ersten beiden Monate der Krise für die Mitarbeiter und den gesamten Betrieb sehr belastend waren, weil die Belegschaft in zwei zeitlich voneinander getrennte Schichten aufgeteilt werden musste. „Da in der Baubranche glücklicherweise auch während der Einschränkungen weitergearbeitet wurde, blieb der Arbeitsaufwand der gleiche. Nur musste alles von weniger Mitarbeitern in der gleichen Zeit bewältigt werden. Das, verbunden mit der allgemeinen Ungewissheit und den individuellen Sorgen und Belastungen jedes einzelnen durch die neue und durchaus auch bedrohliche Situation, hat allen zu schaffen gemacht.“ Nach der Entspannung der allgemeinen Situation konnte das Unternehmen Strupp inzwischen aber wieder zum normalen Betriebsablauf zurückkehren – natürlich unter Einhaltung der Hygieneregeln, entsprechendem Abstand und dem Tragen eines Mund- und Nasenschutzes. „Da das Bauhandwerk von der Krise kaum betroffen war und planmäßig arbeiten konnte, rechnen wir für die nächsten Wochen mit einem normalen Geschäftsablauf. Inwiefern sich die Situation durch äußere Faktoren wie ein erneutes Aufflammen der Pandemie verändern wird, kann jedoch niemand seriös voraussagen. Wir rechnen allerdings mit Beeinträchtigungen in unserer Branche, die sich verzögert in der zweiten Jahreshälfte oder im kommenden Jahr auswirken werden“, erklärt Jan Strupp, betont aber auch: „Gerade in den ersten Wochen der Pandemie war nicht nur das persönliche, sondern auch das wirtschaftliche Miteinander geprägt von Rücksicht und Geduld. Zeit spielte auf einmal keine so große Rolle mehr. Man hatte den Eindruck, dass diese für alle ungewöhnliche Situation dazu beitrug, dass sich der Blick auf wesentlichere Dinge des Lebens konzentrierte. Es wäre schön, wenn dies auch über die Pandemie hinaus Bestand hätte.“